Richard Wilbur: "Eine Welt ohne Gegenstände
ist spürsame Leere".

DAS SCHÖNE WANDELT SICH

Wer über eine Herbstwiese geht, der findet rings
Die Möhrenblüte liegen, wie Lilien
Auf dem Wasser; sie gleitet
Vom Wanderer fort und wandelt
Trocknes Gras zum See, wie der Schattenhauch von euch
Tälern meinen Geist in märchenhaft blaue Luzerne.

Das Schöne wandelt sich, wie ein Wald verwandelt ist
In den Tönungen der Chamäleonhaut;
Wie die Gottesanbeterin,
Auf einem grünen Blatt postiert,
In dies hineinwächst, blättriger das Blatt macht und zeigt,
Daß jedes Grün tiefer ist als irgendwer weiß.

Deine Hände halten Rosen in einer Weise, die besagt,
Sie gehören nicht dir allein; das Schöne
Wandelt sich so freundlich,
Immer wünscht es, Dinge und der Dinge
Selbst zu weiterem Finden zu trennen, alles was es berührt
Für einen Moment zurück ans Wunder zu verlieren.

 

GEIST

In seinem reinsten Spiel gleicht der Geist
Einer Fledermaus, die mit sinnenlosem Spüren
Ganz allein durch Höhlen flatternd reist,
Ohne deren Wände aus Fels zu berühren.

Sie braucht nicht zaudern oder erahnen;
Dunkel weiß sie Hindernisse zu meiden
Und kann, hinauf hinab, in vollendeten Bahnen
Die schwärzeste Luft durchschneiden.

Sollte dies Bild nicht ebenso vollendet sein?
Exakt. Der Geist gleicht einer Fledermaus.
Außer, im glücklichsten Verstehn berichtigt ein
Gnädiger Irrtum die Form des Höhlenbaus.

 

Richard Wilbur: "Eine Welt ohne Gegenstände ist spürsame Leere",
übertragen von Jürgen Brôcan, ist bei Darling Publications, Köln 2005
erschienen
(vergriffen)